In Österreich haben wir uns ein Ziel gesetzt: Möglichst viele Österreicher:innen sollen mit öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B kommen. Und das in möglichst kurzen Abständen, um nicht lange warten zu müssen.
Gleichzeitig hat die Regierung den ÖBB den Auftrag erteilt, nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu handeln. Das führt manchmal zu einem Widerspruch: Denn während die Bahn ihre Kosten auf der einen Strecke mit vielen Fahrgästen durch Ticketverkäufe „eigenwirtschaftlich“ verdienen kann, lassen sich andere Strecken einfach nicht nach marktwirtschaftlichen Kriterien führen.
Fakt ist ... Die Erlöse aus Ticketverkäufen decken nur rund ein Viertel der Kosten im Nah- und Regionalverkehr ab. Für diese Strecken springt die öffentliche Hand ein – entweder das Bundesministerium für Verkehr oder einzelne Bundesländer. Zusätzlich gibt es aber auch Strecken, die nicht gefördert werden, weil diese eigenwirtschaftlich geführt werden können: z.B. Fernzüge auf der Weststrecke zwischen Salzburg und Wien oder auf dem Brennerkorridor.
„Gemeinwirtschaftliche Bestellungen“: Bund und Länder bestellen Zugverbindungen
Damit der öffentliche Verkehr überall aufrecht und leistbar bleibt, gibt es das System der sogenannten „gemeinwirtschaftlichen Zugbestellungen“:
Das heißt: Die Republik Österreich bucht gemeinsam mit den einzelnen Bundesländern bei Bahnunternehmen die nötigen Zugverbindungen und Leistungen, damit diese weiterhin in der gewünschten Frequenz befahren werden. Rund zwei Drittel des gesamten Verkehrsangebots auf der Schiene werden dabei von der Republik Österreich bei den jeweiligen Bahnunternehmen bestellt. Die einzelnen Bundesländer ergänzen diese Grundbestellung mit Zusatzverträgen, die ein breites Zugangebot garantieren.
Zusammengefasst:
- Nicht alle Bahnstrecken in Österreich sind rein durch Fahrkartenerlöse wirtschaftlich zu betreiben.
- Deshalb bestellen Bund und Länder bei insgesamt zwölf österreichischen Bahnunternehmen sogenannte „gemeinwirtschaftliche Leistungen“ um die Versorgung der Österreicher:innen mit öffentlichem Verkehr sicherzustellen.
- Diese Verträge werden in der Regel auf eine Laufzeit von zehn Jahren abgeschlossen. In den Verkehrsdiensteverträgen mit der ÖBB-PV AG wurden im Jahr 2021 97,78 Millionen Fahrplankilometer bestellt. Die ÖBB Personenverkehr AG erhielt für die erbrachte Leistung insgesamt 1,293 Milliarden Euro.
- Bestimmte Strecken – z. B.: der Fernverkehr zwischen Salzburg und Wien – können eigenwirtschaftlich geführt werden. Auf dieser Strecke bekommt niemand finanzielle Unterstützung – weder die ÖBB, noch der private Mitbetreiber.
„Direktvergabe“ heißt: Freie Entscheidung des Staates für die bestmögliche Lösung
Die bestehenden gesetzlichen Regelungen geben Bund, Ländern, Städten und Gemeinden Wahlfreiheit – sie können entscheiden, ob sie Verkehrsleistungen ausschreiben oder direkt vergeben.
Derzeit schließt der Staat Verträge mit den ÖBB sowie einer Reihe von Privatbahnen ab: darunter die Wiener Lokalbahn, die NÖVOG (die landeseigene niederösterreichische Bahngesellschaft), Stern und Hafferl, und viele andere.
Neue EU-Regelung ermöglicht unter bestimmten Bedingungen weiterhin Direktvergaben
Innerhalb der EU ist der Verkehr in der sogenannten Public-Service-Obligation-Verordnung (PSO-Verordnung) geregelt und diese Verordnung sieht die Möglichkeit der Direktvergabe ausdrücklich vor. Bis Ende 2023 dürfen neue Verträge ohne Ausschreibung – mit einer maximalen Laufzeit von zehn Jahren – vergeben werden. Ab 2024 sind Direktvergaben von gemeinwirtschaftlichen Leistungen laut EU-Vorgaben an Bedingungen geknüpft, und sind dann zulässig, "sofern sie aufgrund von strukturellen und geografischen Merkmalen des Marktes gerechtfertigt sind und Qualitäts- und Effizienzkriterien erfüllt werden".
Österreich im Vergleich voran: Bahnfinanzierung in anderen Ländern
Europaweit gibt es unterschiedliche Vorgehensweisen wie öffentlicher Verkehr finanziert wird. Staaten, welche im öffentlichen Verkehr führend sind, vergeben die Leistungen durch die öffentliche Hand direkt. Die Schweiz, Österreich und Frankreich sind bezüglich der zurückgelegten Bahnkilometer pro Einwohner:in die Top 3 Länder in Europa. Im Gegensatz dazu steht Großbritannien, das sein Bahnsystem bereits in den 1980er-Jahren privatisiert hat.
Fakt ist ... Länder, die ihre Schienenverkehrsleistungen direkt vergeben, liegen unter den erfolgreichsten Bahnländern Europas. Und sie können ihren Kund:innen die besten Bahnpreise liefern. In Österreich liegen die durchschnittlichen Reisekosten pro Kilometer bei 8,0 Cent, während im privatisierten Großbritannien durchschnittlich 19,2 Cent pro Kilometer bezahlt werden müssen.
Zusätzlich ist zu erkennen, dass sich die Direktvergabe von Bahnleistungen auch direkt auf die Pünktlichkeit auswirkt. So führt auch hier in Europa die Schweiz vor Österreich und Frankreich – alles Länder, die über eine Direktvergabe verfügen. Das liegt laut Expert:innen daran, dass Leistungen aus einer Hand eine perfekte Abstimmung zwischen Nah- und Fernverkehr sicherstellen.
Zusammengefasst:
- Länder mit einer Direktvergabe von Verkehrsdienstleistungen führen die Rangliste in Europa an: sowohl in Bereichen der zurückgelegten Bahnkilometer, der Kund:innenzufriedenheit als auch der Pünktlichkeit.
- Die Direktvergabe von Bahnleistungen sichert für Kund:innen günstige und leistbare Preise.
- So legen die Österreicher:innen durchschnittlich 1.427 km im Jahr mit der Bahn zurück, zu einem Kilometerpreis von 8,0 Cent.
Wem nützt die Direktvergabe?
Zuallererst nützt die Direktvergabe den Fahrgästen. Sie ermöglicht ein Maximum an Zugverbindungen zu einem möglichst günstigen Preis. Überall wo die Direktvergabe durch Ausschreibungen ersetzt wurde, sind die Ticketpreise deutlich angestiegen. Die Kosten für die öffentliche Hand sinken zwar anfangs, die Gesamtkosten steigen aber durch die deutlich höheren Ticketpreise im Endeffekt. Zusätzlich können durch einen abgestimmten Fahrplan die besten Verbindungen angeboten werden.
In zweiter Linie profitieren natürlich auch die österreichischen Bahnunternehmen und -industrie mit über 50.000 Mitarbeiter:innen. Mit einem Zurückdrängen der Direktvergabe kommt es vermehrt zur europaweiten Ausschreibung der Verkehrsdienstleistungen und einem Abfluss von österreichischen Arbeitsplätzen und Steuergeld ins Ausland.
Aus verkehrspolitischer und volkswirtschaftlicher Sicht stellt somit die Direktvergabe die aktuell sinnvollste Lösung dar. Das zeigen sowohl die Praxis, als auch Studien. Somit bleibt zu hoffen, dass die Diskussion zum Thema auch in der Zukunft fair und sachlich geführt wird.