Bahn und Nationalsozialismus in Österreich 1938 - 1945
Obwohl die Bahn in der Zeit des Nationalsozialismus eine zentrale Rolle spielte, blieb sie in der Geschichtsschreibung der Österreichischen Bundesbahnen bisher so gut wie unerforscht und ausgeblendet. Die Österreichischen Bundesbahnen (BBÖ) wurden 1938 nach dem "Anschluss" Österreichs an Hitler-Deutschland sofort in die Deutsche Reichsbahn integriert. Ohne Bahn als Transportmittel wären die Kriegslogistik der deutschen Wehrmacht und die Massentransporte in die Vernichtungslager nicht machbar gewesen.
Züge in den Tod
Ohne die logistische Kapazität der Bahn wäre der systematische Mord an den europäischen Jüdinnen und Juden, an Roma und Sinti, die Deportation von Sloweninnen und Slowenen, von Homosexuellen, Zeuginnen und Zeugen Jehovas und politisch Andersdenkenden nicht möglich gewesen. Drei Millionen Menschen aus fast ganz Europa wurden im Zweiten Weltkrieg mit Zügen in die Vernichtungslager des NS-Regimes transportiert. Die Deutsche Reichsbahn war durch die Deportation zahlloser Menschen unmittelbar am Holocaust beteiligt und mit ihr auch die ehemals österreichischen Bahnbediensteten, die während der Zeit - nach dem "Anschluss" Österreichs an Hitler-Deutschland und dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 - Bedienstete der Deutschen Reichsbahn waren.
Hunderttausende Österreicherinnen und Österreicher, darunter die gesamte jüdische Bevölkerung, wurden gezwungen, ihre Heimat zu verlassen oder in Konzentrations- und Vernichtungslager geschickt. Die Transporte erfolgten mit der Bahn.
Eisenbahner im Widerstand
Die nationalsozialistischen Machthaber versuchten von März 1938 an die Bahnbediensteten an ihr Regime zu binden. Eisenbahnerinnen und Eisenbahner hatten strengere Regeln als Berufsbeamte zu befolgen, mussten "jederzeit rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat eintreten" und sie wurden flächendeckend einer politischen Untersuchung und Überwachung unterzogen. Dennoch waren sie maßgeblich am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt. So berichtet das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) 1941 über den Widerstand bei der Bahn, dass im Vergleich zum "Altreich ... die Ostmark seit Ausbruch des Krieges 1939 in sabotagepolizeilicher Hinsicht eine größere Rolle spielte, da hier die fremdländischen Nachrichtendienste und die inländischen Gegnergruppen es bereits früher verstanden hatten, Sabotageorganisationen aufzubauen, ..." 154 Bahnbedienstete wurden wegen Ihres Widerstandes zum Tode verurteilt und hingerichtet, 135 starben in Konzentrationslagen oder Zuchthäusern, 1.438 wurden zu KZ- oder Zuchthausstrafen verurteilt.
Die Ausstellung
Im Blickpunkt der Themenausstellung Verdrängte Jahre. Bahn und Nationalsozialismus in Österreich stehen:
- Der "Anschluss": Die Österreichischen Bundesbahnen bis 1938 und ihre Eingliederung in die Deutsche Reichsbahn
- Die Bahnbediensteten: Das Beamtenrecht und der Berufsalltag im Nationalsozialismus
- Emigration und Kindertransporte: Transporte im Auftrag des NS-Regimes
- Die Sondertransporte: Die Sonderzüge in die Vernichtungslager
- Der Widerstand: Österreichs Eisenbahnerinnen und Eisenbahner im Widerstand
- Die Zwangsarbeit: Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter bei der Deutschen Reichsbahn
- Das geraubte Vermögen: Beteiligung der Deutschen Reichsbahn an der "Arisierung jüdischen Vermögens"
- Die Restitution: Nach dem Krieg und der Umgang mit der Vergangenheit
Abschluss der ÖBB Themenausstellung "Verdrängte Jahre" in Tel Aviv
Mit einer viel beachteten Rede von Andreas Matthä fand am 16. März 2017 an der Tel Aviv Universität der Abschluss der Ausstellung "Verdrängte Jahre. Bahn und Nationalsozialismus 1938 - 1945" statt.
Dauerausstellung "Verdrängte Jahre" im ÖBB Ausbildungszentrum
Bisher wurde die ÖBB-Themenausstellung "Verdrängte Jahre. Bahn und Nationalsozialismus in Österreich 1938 - 1945" in Wien, Wissensturm Linz, Salzburg, im GrazMuseum, im Landesmuseum Kärnten, im Europäischen Parlament in Brüssel, im Stadtmuseum Wiener Neustadt und in Tel Aviv gezeigt. Seit Oktober 2016 ist die Ausstellung im ÖBB-Bildungszentrum St. Pölten/Wörth dauerhaft zu sehen.
Dokumentationskatalog
Der Dokumentationskatalog zur Themenausstellung kann um eine Spende von 19 Euro unter
verdraengte.jahre@oebb.at angefordert werden. Die Spende wird für wissenschaftliche Arbeiten insbesondere dem vida-Archiv zur Verfügung gestellt.
Für weitere Informationen zur Themenausstellung "Verdrängte Jahre" kontaktieren Sie uns per E-Mail: