Gewalt hat viele Gesichter – zu Hause und am Arbeitsplatz

Nachbericht vom Online-Event (8.11.2022)

Im Vorfeld der internationalen Tage gegen Gewalt an Frauen (25.11. – 10.12.) haben mehr als 50 Kolleg:innen gemeinsam mit Sandra Konstatzky (Leiterin der GAW), Andrea Brem (GF der Wr. Frauenhäuser) und Alexander Haydn (Psychotherapeut und Berater der Männerberatung Wien) u.a. folgende Fragestellungen näher betrachtet und diskutiert:

  • Was bedeutet häusliche Gewalt und wo kann man sich bei häuslicher Gewalt hinwenden?
  • Was ist eine sexuelle Belästigung?
  • Welche Gesetze bestehen am Arbeitsplatz?

Neben zentralen Statements aus der Podiumsdiskussion habt ihr auch die Möglichkeit euch folgende Breakout-Raum-Aufzeichnungen (Downloadbereich)

  • Gewalt hat viele Gesichter – Prävention
  • Sexuelle Diskriminierung und Gewalt am Arbeitsplatz

anzuschauen und mehr zu den unterschiedlichen Themen zu erfahren.

Mann spricht’s an!

In ihren Begrüßungsworten hat Traude Kogoj, Diversity Beauftragte ÖBB-Konzern, neben den internen Maßnahmen zur Sicherstellung der Gleichbehandlung auch auf eine öffentliche Initiative des Sozialministeriums (zur Gewaltprävention) aufmerksam gemacht, die auch die ÖBB unterstützt: Mann spricht‘s an!

Häusliche Gewalt (Statistiken, Erscheinungsformen und Hilfsangebote)

„Laut einer Studie sind rund dreißig Prozent Frauen von häuslicher Gewalt betroffen und im Schnitt werden drei Frauen monatlich getötet. In Deutschland sind es zum Vergleich Hundertzwanzig Frauen pro Jahr. Wenn man das umrechnet, dann zeigt sich wie drastisch die Lage in Österreich ist“, so Andrea Brem und ist sich auch mit Alexander Haydn einig, dass Frauen viel häufiger von häuslicher Gewalt betroffen sind: „Häusliche Gewalt ist von der Täterseite her männlich. Österreich ist für Männer ein sicheres Land, aber nicht für Frauen“, so der Berater.

„Die Gewalt von Tätern hat eine sehr große Bandbreite und kann von psychischer Gewalt, ökonomischer Gewalt (z.B. kein eigenes Konto zulassen oder Bankomatkarte sperren lassen), sexueller Gewalt bis hin zum Femizid gehen“, so Haydn, der mit Tätern arbeitet und nicht (mehr) mit der primären Gewaltprävention betraut ist, „sondern dort, wo Gewalt schon stattgefunden hat“.

Nichtsdestotrotz, gibt es laut den beiden Expert:innen auch positive Entwicklungen zu vermelden und vielfältige Hilfs­angebote, die von Opfern in Anspruch genommen werden können: „Es gibt mittlerweile viel mehr Hilfsangebote und diverse Möglichkeiten, sich Unterstützung zu holen“, so Brem und hebt in diesen Zusammenhang folgende Beispiele hervor: „Es gibt u.a. die Frauenhäuser, wo Frauen hin flüchten können, Beratungs­stellen, wo Frauen sich bei zuspitzender Lage anonym beraten lassen können und z.B. auch die Möglichkeit, dass die Polizei ein Betretungsverbot veranlasst“.

Die Frauenhäuser und Männerberatung arbeiten eng zusammen. Dies zeigt sich auch anhand der opferschutzorientierten Täterarbeit, welche Interventionen zur Beendigung und Verhinderung von Gewaltverhalten beinhaltet. Haydn dazu: „wir tauschen uns mit den ambulanten Wiener Frauenhäusern fallbezogen aus und verfolgen ein sehr transparentes Modell der Zusammenarbeit. Es gibt eine Hotline (die Männerinfo) für Männer, die sich in Krisen befinden. Einfach anrufen, wenn Sie sich außer sich fühlen und Hilfe brauchen,“ so der Hinweis und das Angebot von Haydn.

Neben all der wichtigen und vielfältigen Angebote wies Andrea Brem darauf hin, „dass Frauen oft nicht erstgenommen bzw. abgewiesen werden“ und es umso wichtiger ist, dass wir nicht wegschauen. „Es ist auch für Betroffene sehr schwierig aus der Situation zu kommen und es sind große Schritte (wie z.B. Scheidung, Konfrontation mit weiteren Beschämungen,...) die zu setzen sind“, so Brem und sieht auch wie Haydn einen großen Handlungsbedarf bei der psychischen Gewalt: „Der Psychischen Gewalt wird noch viel zu wenig Beachtung geschenkt“, so der Psychotherapeut und Berater.

„Es ist auch für Betroffene sehr schwierig aus der Situation zu kommen und es sind große Schritte (wie z.B. Scheidung, Konfrontation mit weiteren Beschämungen,...) die zu setzen sind“, so Brems Appell an die Teilnehmer:innen. Dazu Sandra Konstatzkys Ergänzung in Richtung Führungskräfte: „Als Führungskraft muss mir auffallen und mich stutzig machen, wenn Mitarbeiterinnen sich nicht mehr am sozialen Leben beteiligen. Demnach ist umso wichtiger achtsam zu sein und darauf zu schauen wie es meinen Mitarbeiter:innen geht“.

Sexuelle Belästigung (Statistiken, Erscheinungsformen und Abhilfemaßnahmen)

Den Konnex zwischen häuslicher Gewalt und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz hat Sandra Konstatzky folgendermaßen aufgezeigt: „Es fängt mit der Würdeverletzung an und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann als Vorstufe gesehen werden, was nicht bedeutet, dass Gewalt am Arbeitsplatz nicht passieren kann“.

Auf die Frage hin, ob sich die Statistiken aus der repräsentativen Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung zu Gewalt an Frauen und Männern aus dem Jahr 2011 schon verändert bzw. gebessert haben, folgte seitens Konstatzky eine ernüchternde Antwort: „ich fürchte nicht, dass sich die Zahlen verändert haben. Wir liegen höchstwahrscheinlich nach wie vor bei den 74 Prozent bzw. können sagen, dass circa drei von vier Frauen im Laufe ihres Erwachsenenlebens bereits sexuell belästigt wurden“, so Konstatzky und ergänzte: „Sexuelle Belästigung ist jenes Gleichstellungsthema, das bei uns in der Gleichbehandlungsanwaltschaft am häufigsten vorkommt und vor allem auch jene Personen betrifft, die weiteren vulnerablen Personengruppen angehörig sind“.

Positiv hervorzuheben sei laut der Gleichbehandlungsanwältin, dass „sexuelle Abwertungen mehr zum Problem von Unternehmen geworden sind“ bzw. „sich mehr dem Thema annehmen und sich sehr viel getan hat“.